Könnten
Sie das bitte buchstabieren? Durchaus keine seltene Frage bei einem
seltenen, vielleicht sogar
seltsamen Namen. Ein Mensch des Mittelalters hätte dieses Problem
nicht gehabt. Vorausgesetzt, er war des Schreibens überhaupt
mächtig, hätte er den Namen einfach dem Hörensagen nach
zu Papier gebracht; und weil man das tatsächlich noch lange so
gehalten hat, kommt die Familie heute unter nicht weniger als neun
verschiedenen Namensvarianten vor. Ursprünglich entstammt der Name dem
Althochdeutschen und ist aus den beiden Komposita hart (kühn, stark)
und rat (Ratschlag, Ratgeber) gebildet, ähnlich wie der noch heute geläufige Konrad (kuon-rat). Bis ins 15. Jahrhundert hinein schrieb man deshalb
‚Hartrad‘ oder ‚Hartrat‘ (mit Vokalverdunklung sogar
‚Hartrot‘ und ‚Hartrut‘), ab dem 16.
Jahrhundert zunehmend mit r-Umsprung ‚Hartard‘ oder ‚Hartart‘.
In derselben Zeit setzte auch die Verschleifung des Namens ein, die
‚Hartard‘ zu ‚Hartert‘, ‚Hardert‘
oder ‚Harter‘, mit Genitivbildung auch zu ‚Harterts, Hartherz‘ werden ließ.
Zu den ersten urkundlich nachweisbaren Namensträgern zählt im
6. Jahrhundert ein Arderadus, Vidame des Bischofs von Le Mans und
542/543 dessen Gesandter beim Hl. Benedikt auf dem Monte Cassino.
Weitere frühmittelalterliche Vertreter des Namens im heutigen
Frankreich sind Abt Hardrad von Saint-Bertin (769), die Vizegrafen von
Tours, Ardrad I. (846/865) und sein Enkel Ardrad II., sowie Bischof
Ardrad von Chalon-sur-Saône (889–ca. 925).
Auch dem norwegischen König Harald III. (*1015,
†1066), der als Gründer Oslos gilt, wurde der Name
beigelegt. In die Geschichte eingegangen ist er als Harald
Hardråde oder Hardrada, der
Strenge. Er fiel 1066 bei dem Versuch, den englischen
Thron zu erobern, in der Schlacht von Stamford Bridge; die
geschwächte Armee der Engländer musste sich wenig später
bei Hastings den Normannen geschlagen geben.
Im heute deutschsprachigen Raum findet sich der erste Nachweis des
Namens in einer Traditionsnotiz der Abtei Echternach: Im Jahr 721
schenkt die fränkische Adelige Bertrada, die im selben Jahr die
Abtei Prüm gestiftet hatte, gemeinsam mit ihrem Sohn Heribert
Güter an das Echternacher Kloster. Der urkundliche Eintrag beginnt
mit den Worten: „Ego Berta, Deo sacrata, et filius meus
Chardradus et Harbertus donamus ...“; die grammatikalische
Ungenauigkeit des Textes lässt offen, ob Heribert einen Bruder
Hardrad hatte oder aber diesen Namen als Beinamen führte.
Heribert-Hardrad wurde über seine Tochter Bertrada die
Jüngere zum Großvater Karls des Großen. Ein weiterer,
mit dem ersten vielleicht identischer Hardrad wird im Kartular der
lothringischen Abtei Gorze im Jahr 771 als bereits verstorben genannt,
als sein Sohn Ratard Güter in Mandres-aux-Quatre-Tours an das
Kloster schenkt; Josef Fleckenstein identifizierte (nicht
unwidersprochen) diesen Ratard mit Ruthard, dem Administrator
Alemanniens, der zu den Stammvätern der älteren Welfen
gezählt wird. Zwischen dem letzten Viertel des 8. Jahrhunderts und
der Mitte des 9. Jahrhunderts erscheinen Träger des Namens Hardrad
des Öfteren in den Traditionsbüchern der Klöster Fulda,
Lorsch und Weißenburg. Sie gehören zu einer vor allem im
Wormsgau, vermutlich auch in Thüringen (um Sömmerda,
Kölleda, Haßleben), später zudem im Saalgau
begüterten Adelsfamilie mit verwandtschaftlichen Beziehungen zur
fränkischen Reichsaristokratie (Widonen, Rupertiner). Die
älteren Namensträger in Echternach und Gorze könnten zu
ihren Vorfahren zählen. Ein Graf Hardrad, der möglicherweise
aus dieser mittelrheinischen Sippe stammte, war 786 Anführer einer
ostfränkisch-thüringischen Verschwörung gegen Karl den
Großen; er wurde nach der Entdeckung des Anschlagsplans geblendet
und vermutlich des Reichs verwiesen. Ein Nachhall dieser Ereignisse ist
möglicherweise die legendäre Figur des Hardré, der in
den französischen Chansons de geste Garin le Loherain (Lohengrin)
und Amis et Amile in der Rolle des Verräters auftritt.
Im Mittelalter ist Hartrad als Personenname vor allem im
südhessischen Raum verbreitet, nicht zuletzt wohl durch das hier
einflussreiche Geschlecht der Herren und Grafen von Merenberg, bei
denen Hartrad über zehn Generationen hinweg Leitname ist (von
Hartrad I., um 1090, bis zum Letzten des Hauses, Hartrad VII., †
1327). Vielleicht gehört bereits der 1031 und 1051 genannte
Hartrad, Bruder des heiligen Mainzer Erzbischofs Bardo, zu dieser
Familie. In Hessen finden sich Namensträger u. a. in den
Adelsfamilien Alnhausen, Reichenbach, Westerburg, Hundelshausen,
Trümbach, Wildenberg, Goßfelden und Fellingshausen sowie
jeweils mehrere Namensträger in den Wetzlarer Patrizierfamilien
von Hörnsheim und Blide. Im Fränkischen ist Hartrad
(Hartrach) häufig in der Familie der Truchsessen von Baldersheim.
Bis zum 18. Jahrhundert waren Hartrad bzw. Hartard nicht eben
häufige, aber vor allem in Südwestdeutschland (Kurpfalz,
Hochstifte Trier und Mainz, Luxemburg) durchaus nicht
ungewöhnliche Taufnamen, zum Teil sicherlich befördert durch die Vorbilder des Mainzer Erzbischofs Damian Hartard von der Leyen
(† 1678) und des Speyerer Fürstbischofs Heinrich Hartard
von Rollingen (†1719).
Weitere Namensträger findet man u. a. in den Familien der Herren
von Wiltz, Pallandt, Nassau, Bassenheim, Elter, Metternich, Dhaun,
Stein und Hattstein. Heute ist der Vorname bis auf wenige
Ausnahmen (wie den hessischen Architekten Hans Hartrad Meyer-Seipp,
*1924, † 2009) ganz verschwunden.
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Der Familienname
Als Familienname ist ‚Hartard‘ natürlich jünger.
Im Bürgertum kamen erbliche Zunamen erst ab dem 12. Jahrhundert
auf, als in den bevölkerungsreichen Städten an den
großen Flussläufen und Kaufmannsstraßen – etwa
in Wien, in Regensburg, in Basel, Straßburg, Speyer, Mainz,
Frankfurt oder Köln – die bloßen Rufnamen nicht mehr
für die sichere Unterscheidung der Bewohner genügten.
Zunächst behalf man sich mit Beinamen, die aber lediglich der
näheren Bezeichnung einzelner Personen, nicht ganzer Familien
dienten und daher kaum ihren Träger überlebten. Sie nahmen
Bezug auf dessen Herkunft, Beruf oder Wohnstätte, auf
äußere Kennzeichen oder Wesensmerkmale, auf den Namen des
Vaters oder, seltener, den der Mutter. Sicherlich entscheidend
befördert durch die Eintragung solcher Namen in offizielle
Urkunden wie Bürgerbücher oder Steuerlisten wandelten sie
sich allmählich zu den erblichen Benennungen der Geschlechter, wie
sie im deutschen Sprachraum seit dem 13. bis 14. Jahrhundert
gebräuchlich werden.
Bei einem im 13. Jahrhundert in Wien bezeugten Konrad Hartrat etwa
zeigt sich, dass der Prozess der Namensbildung damals noch nicht ganz
abgeschlossen war: als Konrad um das Jahr 1260 mit seiner Frau Jutta
der Abtei Heiligenkreuz zwei Pfund jährlicher Gülten zu
Nieder-Hollabrunn vermacht, urkundet er als „Chunr(adus)
d(i)c(tu)s Hartrat“ (Konrad, genannt Hartrat); ebenso 1271, als
er, mittlerweile Witwer, dem Kloster Lilienfeld einen Hof in
„Imzeinsdorf“ (Inzersdorf) und eine Wiese in Erlaa
übergibt (zwei Besitzungen, die wenig später von seinen
Verwandten Kunigunde und Konrad von Heiligenstadt erfolglos vom
Lilienfelder Konvent zurückgefordert werden).
Ähnliches ist der Fall bei dem im Jahr 1296 erwähnten
Leipziger Ratsherrn Heinricus Hartradi: hier verrät der Genitiv
noch die Herkunft vom Vatersnamen. 1318 indes finden wir denselben
Heinrich als „Henricus Hardrat“ in den Urkunden. Sehr
frühe Nennungen in bereits verfestigter Form stammen aus
Würzburg mit Cunrad Hartroet, (1250) und aus Köln mit einem
Schöffen Heinrich Hardrat oder Hard(e)rait (1262), der in der
Thieboldsgasse im Kirchspiel St. Aposteln wohnt und mit seiner Frau
Godelivis den Sohn Hermann und die mit Heinrich Zote verheiratete
Tochter Druda hat; 1327 werden in Köln ein Wilhelm Hardrait, seine
Tochter Druda und deren Mann Roilkinus von Dünnwald genannt. Ab
dem 14.
Jahrhundert kann der Name dann durchweg als fester Familienname
betrachtet werden, so in Brüx (tschech. Most, in Böhmen) mit
Heinrich
Hartrat (1302 und 1306) und Johann Hartrat (1315), in Reichenbach a. d.
Lausitz (westlich
von Görlitz) 1356 mit Nyckil Hartrut oder mit den zahlreichen
Namensträgern aus dem oberhessischen Raum
(Frankfurt, Wetterau, Dreieich, Taunus), auf die im folgenden
näher eingegangen wird.
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Geographische Namen
Hingewiesen sei noch auf verschiedene Ortsnamen, die ihrerseits von dem Personen- oder
Familiennamen ‚Hartrad‘ herstammen: so das
oberösterreichische Harterding, nahe dem Inn; Hardradinchus (nach
dem sich 1249 ein Dortmunder Bürger nennt: Wessel von Asseln gen.
de Hardradinchus); Hartershausen bei Fulda (891: Hartrateshus,
später Harteratishusen, Harttarshusen); Hardradessen, Name zweier
nordhessischer Wüstungen (im Kreis Waldeck bzw. im Kreis
Wolfhagen), Harreshausen, heute ein Ortsteil von Babenhausen, beim
hessischen Dieburg (12. Jh.: Hardirshusen, 1320: Hareshusen),
Hartradisbusz, ein Flurstück bei Frankfurt-Bockenheim (1301). Die
Eifelburg Hartelstein (älter: Hartradstein) bei Prüm, heute
Ruine, die 1341 unter luxemburgische Lehenshoheit fällt,
führt ihren Namen nach dem Erbauer, Hartrad von Schönecken
aus dem Hause der Grafen von Vianden; eine Bastion der Festung Mainz
aus dem 17. Jh. erhielt den Namen Hartard nach dem Mainzer Erzbischof
Damian Hartard von der Leyen.
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Harald Hardrada, König von Norwegen, historisierende Darstellung in der St.-Magnus-Kathedrale in Kirkwall |